Liebes Arschloch by Despentes Virginie

Autor:Despentes, Virginie [Despentes, Virginie]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783462311624
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch eBook
veröffentlicht: 2023-02-09T00:00:00+00:00

OSCAR

Du hast die Schönheit einer Italienerin. Ich weiß, das wird dich nicht beruhigen. Aber verdammt, du hast noch viel Luft nach oben, bevor du Mittelmaß bist.

Du wirst zwar sagen, dass man das nicht vergleichen kann, aber ich finde schon: Ich kenne das Gefühl, dass man sich für den eigenen Körper schämt. Der Hauptunterschied ist nicht, dass du eine Frau bist und ich ein Mann. Der Unterschied ist, dass ich mich nie im Spiegel gesehen und gedacht habe – alles bestens. Ich bin klapperdürr, nicht dünn. Ich bin nicht elegant, nicht rank und schlank oder ein schmächtiger Typ. Ich bin mager. Mager wie ein Kind armer Leute. Das legst du nicht ab. Ich habe schmale Schultern, dünne Arme, weiße Haut, bei mir hat sich nie ein Bauchmuskel über dem Slip abgezeichnet, bei mir sieht man nur Knochen. Ich war immer traurig, in meiner Haut zu stecken.

Snoop Dogg hat mir das Leben gerettet. Er ist größer als ich – und natürlich ist er schwarz und Amerikaner und Millionär –, und er hat Alben rausgebracht, die wahre Gamechanger waren – aber es war das erste Mal, dass ich einen Typen von meiner Statur sah. Richtig mager. Der nicht lächerlich wirkte. Snoop ist witzig, aber er ist kein Komiker. Er hat Stil. Ich war platt, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Ein Typ, der wie ich nichts auf den Rippen hat, aber der nicht hässlich ist.

Du wirst sagen, »ja, aber ihr Männer könnt euch anders definieren als über euren Körper«. Und du wirst sagen, »ja, aber du warst schon immer hässlich, du hast keine Ahnung, was es heißt, etwas von seinem Look einzubüßen, wenn man einmal phänomenal ausgesehen hat«. Stimmt, ich habe keinen blassen Schimmer, was es heißt, Menschen mit seiner Schönheit zu beeindrucken, sobald man einen Raum betritt. Dass sie sich mit dir unterhalten wollen, nur weil du umwerfend aussiehst.

Das, was ich mit Zoé erlebt habe, habe ich mit vielen anderen Frauen erlebt. Es hat mich sogar überrascht, dass sich nicht noch weitere zu Wort gemeldet haben. Die Liste der Frauen, die ich geliebt und nicht bekommen habe, ist endlos. Gott sei Dank habe ich mein Glück nicht bei allen versucht. Oft war ihr Desinteresse zu offensichtlich. Was mir eigentlich am meisten zugesetzt hat, bei allen Anschuldigungen, war nicht die Aussage, »grässlich, diese toxische Männlichkeit! Er hat weitergemacht, obwohl die junge Frau Nein gesagt hat.« Sondern dass gesagt wurde – keine Frau will ihn haben. Er hat null Attraktivität. Weil es ihm an Männlichkeit fehlt. Das spüren die Frauen instinktiv. Und wollen ihn nicht haben. Diesen Versager.

Die Geschichte mit Zoé gibt mir den Rest. Aber ich habe sie zehn, zwanzig Mal erlebt. Dass ich davon überzeugt bin, eine Frau ist wie für mich geschaffen, dass ich jede noch so kleine Bewegung an ihr liebe, dass ich alles liebe, wofür sie steht, dass ich sicher bin, wir könnten alles teilen im Leben, alle Eindrücke teilen. Und sie mich nicht haben will. Jeden Idioten findet sie attraktiv. Er muss nicht mal gut aussehen. Nur mich nicht.

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